Februar 2021 Gospelchor begrüßt selbst in schwierigen Zeiten fünf neue Sängerinnen / Altersdurchschnitt auf 45 bis 50 Jahre gesunken / Online-Schaltung zur Singstundenzeit
Hemsbach. „Es geht uns gut, wir sind ein gesunder Verein“, sagt Petra Baumann. Trotzdem hat die Vorsitzende des Gospelchors mit ihrem Vorstand eine Krisensitzung einberufen, in der es um das bevorstehende Ende des Männerchors 1890 Sulzbach ging. Die Frauen hätten das schade gefunden, berichtet sie im Gespräch mit den Weinheimer Nachrichten und befürchtet, dass noch mehr Ensembles aufgeben müssen: „Da geht ein Stück Kultur-Erbe verloren.
Für die Sängerinnen vom Gesangverein Germania steht dieser Schritt indes nicht zur Debatte. Ganz im Gegenteil: Der Altersdurchschnitt sei in den vergangenen fünf Jahren gesunken und liege zwischen 45 und 50, sagt Baumann; dafür sei die Zahl der aktiven Sängerinnen von 50 auf 60 gestiegen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Vereinen hat die Germania im Krisenjahr 2020 nicht nur niemanden verloren, sondern sogar noch fünf Neue dazu bekommen.
Die Frauen hätten einen Chor gesucht und sich wegen des Repertoires für die Hemsbacher Formation entschieden: Gesungen werden nicht nur Spirituals, sondern auch Popsongs, Swing- und Musical-Melodien. Seit Jahren ist der Terminkalender der Sängerinnen voll, gibt es Auftritte bei Hochzeiten und Firmenfeiern, zwei Konzerte pro Jahr, außerdem taten sie sich zu „Flashmobs“ in der Weinheim-Galerie zusammen.
Im vergangenen Jahr herrschte dagegen Stillstand. Sieben Trauungen, die der Chor hätte begleiten sollen, wurden abgesagt, ebenso wie der zehnte Dirigenten-Geburtstag von Penny Bauer. Ins Wasser fielen auch zwei große Konzerte, eins mit geplanten 400, eins mit 500 Zuschauern, so die Vorsitzende: „Es war schon alles geplant, das Programm stand, wir hatten einen Caterer, für das Open-Air-Konzert waren sogar Straßensperren organisiert“.
Was blieb, war das Singen, jedenfalls bis zu den erneuten Zwangsschließungen im Spätjahr. Im Sommer fanden Chorproben in Bauers Garten statt, später gewährte das neue Altenheim Schneider den Frauen Unterschlupf. Normalerweise wird im Luthersaal der evangelischen Kirche geübt, doch wegen der Abstandsvorschriften wäre es dort zu eng geworden, erklärt Baumann. Umso lieber wurde der neue Probenraum angenommen, zumal hier auch eine neue Abluftanlage für einen Austausch der Raumluft sorgt und die Akustik ausgezeichnet ist.
Als auch das unmöglich gemacht wurde, versuchte der Vorstand, zumindest mit elektronischen Hilfsmitteln Kontakt zu halten: Die 14 Frauen schalten sich regelmäßig online zusammen; in der Vorweihnachtszeit verteilte ein „Wichtel-Ausschuss“ kleine Präsente an die Mitglieder, Vize-Vorsitzende Monika Mohr-Waldschmidt gestaltete einen Adventskalender, der über Facebook abgerufen werden konnte, und Baumann schrieb regelmäßig Rundmails. Seit gestern gibt es einen zumindest virtuellen Ersatz für die Proben: Immer zur Singstundenzeit ist nun eine Videoschaltung für alle Sängerinnen aktiviert.
So sei die Welt „unter Corona-Umständen noch relativ in Ordnung“ für den Hemsbacher Gospelchor, bilanziert Baumann. Allerdings gab es unter den älteren Mitgliedern auch einige wenige, die 2020 ihren Probenbesuch vorerst
auf Eis legten: „Aber der allergrößte Teil war da“. Was die Vorstandsmitglieder fürchten, sei „die Resignation der Frauen, dass sie aufhören.“ Dazu kommt, dass sich niemand so recht traut, Pläne für dieses Jahr zu machen. Die Jahreshauptversammlung wurde von Januar auf Anfang Juni verlegt, doch auch dieser Termin ist mit vielen Fragezeichen versehen.
Ob die abgesagten Hochzeiten 2021 nachgeholt werden? Ob ein Konzert stattfinden kann? Chefin Baumann weiß es nicht. Es könnte, wenn überhaupt, erst im Winter terminiert werden, weil der Chor Zeit für die Proben braucht. Fest steht aber, dass sich die Frauen nicht unterkriegen lassen. Ihr Credo: „Wir sind aktiv, und wir werden es auch
bleiben“. stk
Bild aus besseren Tagen: Im Sommer 2019 gab es das letzte große Konzert des Gospelchors in der Christuskirche. ARCHIVBILD: PHILIP REIMER